Warum grundloses, routinemässiges Vertikutieren unnötig ist und dem Rasen schaden kann. In Ausnahmefällen ist es dennoch sinnvoll, Rasen zu vertikutieren. Wir stellen diese Ausnahmen vor.
In jedem Jahr wird in fast allen Gartenzeitschriften das Vertikutieren als notwendiger Bestandteil der routinemäßigen Rasenpflege empfohlen. In unserem vorherigen Artikel „Schonende Rasenpflege statt Vertikutieren: Tipps & Tricks“ haben wir jedoch erläutert, dass
- Vertikutieren ursprünglich aus dem Profisportbereich stammt, wo es tatsächlich notwendig ist,
- der sogenannte Vertikutier-Wahnsinn größtenteils eine Erfindung der Industrie ist, um Geld zu verdienen,
- eine gestärkte Grasnarbe kein Vertikutieren braucht, weil es fähig ist, die abgestorbenen Gräser, Mose und den Filz selbstständig abzubauen.
Eine gesunde, gut gepflegte Rasenflächen benötigen kein Vertikutieren, da es den Rasen schwächt und somit Probleme verursacht.
Es gibt jedoch einige Ausnahmen, bei denen das Vertikutieren absolut notwendig ist. In diesem Artikel möchten wir genau diese Ausnahmen behandeln.
Was ist Vertikutieren?
Ein gesunder, grüner Rasen ist der Stolz vieler Gärtner und Gartenbesitzer. Um diesen zu erhalten, ist regelmäßige Pflege notwendig. Eine Maßnahme, die häufig empfohlen wird, ist das Vertikutieren des Rasens. Dabei wird mit einem speziellen Gerät, dem Vertikutierer, die Grasnarbe leicht angeritzt und Moos, Rasenfilz und abgestorbene Pflanzenteile entfernt.
Ziel dieser Maßnahme ist es, den Rasen zu lüften und somit das Wurzelwachstum zu fördern. Obwohl das Vertikutieren vielfach als notwendige und sinnvolle Maßnahme zur Rasenpflege betrachtet wird, kann es in Wirklichkeit nur in Ausnahmesituationen nötig sein, zum Vertikutierer zu greifen.
Warum routinemässiges Vertikutieren unnötig ist
Regelmäßiges Vertikutieren wird oft als notwendige Maßnahme zur Erhaltung eines gesunden Rasens angesehen. Dabei wird jedoch übersehen, dass es in vielen Fällen nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich sein kann. Das Vertikutieren stresst den Rasen und stört die natürliche Bodenstruktur. Dies kann zu einer Schwächung der Grasnarbe und somit zu einer erhöhten Anfälligkeit für Unkraut und Krankheiten führen.
Zudem kann das Entfernen von Moos und Rasenfilz Lücken im Rasen hinterlassen, die dann von Unkraut besiedelt werden können. Es ist also nicht immer ratsam, regelmäßig zu vertikutieren, und es gibt alternative Methoden zur Rasenpflege, die in vielen Fällen besser geeignet sind.
Ausnahmen, wann Vertikutieren nötig sein kann
Professioneller Sportbereich
Bei Sportrasen steht die Qualität der Grasnarbe nicht an erster Stelle, sondern die Belastbarkeit des Rasens und seine Wasserdurchlässigkeit bei jedem Wetter sind entscheidend.
Um eine hohe Belastbarkeit, maximale Wasserdurchlässigkeit und gute Scherfestigkeit zu erreichen, besteht die Rasentragschicht – die Schicht, in der der Rasen wächst – hauptsächlich aus Sand. Diese sandige Struktur ist für Pflanzen eher ungünstig und weist wenig Bodenleben auf, bietet aber eine ausgezeichnete Wasserdurchlässigkeit.
Auf solchen Sportflächen kann Rasenfilz durch liegengebliebenes Mähgut entstehen, der sich ohne ausreichendes Bodenleben nur langsam abbaut. Zudem kann das Spielen auf der Rasenfläche mit Stollen dazu führen, dass Gräser in den Boden gestampft und unter anaeroben Bedingungen zersetzt werden, was zu hartem, wasserabweisendem Filz führen kann. In solchen Fällen ist das Entfernen von Rasenfilz durch Vertikutieren notwendig und sinnvoll.
Hersteller von Gartengeräte sehen im Heimbereich einen großen Markt. Der Einsatz von Vertikutiergeräten im Profisportbereich kommt hierbei gelegen, diese auch für private Gartenbesitzer anzubieten. Jedoch sind die Anforderungen an den Rasen in Privatgärten anders als im Stadion, während auch die Bodenzusammensetzung häufig eine andere ist. Im Privatgarten reicht eine normale Pflege der Rasenfläche, die wir im nächsten Abschnitt beschreiben.
Intensiver Moos- und Unkrautbefall als Auslöser für den Neustart der Rasenfläche
Ein gesunder Rasen kann durchaus mit einem gewissen Maß an Moos und Unkraut koexistieren, jedoch wenn der Rasen von einem dichten Teppich aus Moos und Unkraut überwachsen ist, wird die normale Pflege wie Mähen und Düngen oft wirkungslos. Dies liegt daran, dass Moos und Unkraut die Rasenfläche dominieren und die Gräser verdrängen, wodurch diese nicht mehr ausreichend Licht, Wasser und Nährstoffe erhalten. Zudem verdichtet ein dichter Moos- und Unkrautbewuchs den Boden und verhindert so, dass Luft und Wasser zu den Graswurzeln gelangen.
In solchen Fällen kann eine komplette Rasenerneuerung notwendig sein, die mit dem Vertikutieren beginnen kann. Durch das Vertikutieren werden Moos und Unkraut entfernt und die Rasenfläche wird für eine Neueinsaat oder Nachsaat vorbereitet. Das Vertikutieren bricht die oberste Bodenschicht auf und ermöglicht so, dass die neuen Samen gut mit dem Boden in Kontakt kommen und keimen können.
Das Vertikutieren alleine reicht nicht aus, um einen gesunden Rasen wiederherzustellen. Es ist lediglich der erste Schritt in einem Prozess, der auch das Nachsäen von geeigneten Grassamen und die richtige Pflege wie regelmäßiges Mähen, Düngen und Bewässern beinhaltet.
Vertreiben von Schädlingen wie Ameisen durch gezielte Bodenstörung
Ameisen können den Rasen schädigen, indem sie den Boden lockern und Hügel bilden. Diese Hügel stören nicht nur das Aussehen des Rasens, sondern behindern auch das Mähen und können zu einer ungleichmäßigen Rasenfläche führen. In einem eigenen Beitrag haben wir ausführlich erklärt, wie man Ameisen im Rasen auf natürliche Weise bekämpfen kann: Ameisen im Rasen natürlich bekämpfen
In manchen Fällen kann jedoch das Vertikutieren eine effektive Methode sein, um Ameisen zu vertreiben. Durch das Vertikutieren wird der Boden gestört und die Ameisen werden vertrieben, da die Rasenfläche kein sicherer Ort für ihre Aufzucht ist. Zudem werden die Hügel eingeebnet und die Rasenfläche wird für die weitere Pflege vorbereitet.
Das Vertikutieren alleine ist nur bei schlimmen Ameisenbefall eine flankierende Maßnahme. Die genauen Schritte haben wir in unserem Artikel beschrieben: Wie man Ameisen im Rasen auf natürliche Weise bekämpft
Vertikutieren bei Rasenflächen mit hohem Anteil von Rotschwingel (Festuca rubra)
Der Rotschwingel (Festuca rubra) ist ein sehr feines, dünnes Gras, das eine dichte, robuste und schnell regenerierende Grasnarbe schafft. Es fühlt sich sehr hart und dünn und halmartig an, und ist schwer zu zerreissen. Das macht es besonders beliebt im Golfbereich und überall dort, wo eine sehr dichte Grasnarbe gefragt ist. Rotschwingel ist feinblättrig und tiefschnittverträglich, was es zu einer geeigneten Wahl für Zierrasen macht.
Ein wesentliches Merkmal des Rotschwingels ist sein hoher Lignin-Anteil, der schwer verrottet. Wenn die Rasenfläche großteilig vom Rotschwingel dominiert wird, bildet sich ein Filz, der durch den Lignin-Anteil nicht abgebaut wird und daher muss vertikutiert werden. Festuca rubra kommt in normalen Spiel- und Gebrauchsrasen heutzutage kaum mehr vor, wurde jedoch früher viel in Zierrasen-Mischungen verwendet. Die Rolle in modernen Rasenflächen ist daher gering.
Grasnarbe abtragen: Vertikutieren nach Überdüngung oder Hitzschaden
Überdüngung und Hitzeschäden sind zwei häufige Ursachen für das Absterben von Grasnarben. In solchen Fällen ist es notwendig, die abgestorbenen Grasnarben zu entfernen, um Platz für neues Gras zu schaffen und eine gesunde Rasenfläche wiederherzustellen. Das Vertikutieren ist hierbei eine effektive Methode, um die abgestorbenen Grasnarben zu entfernen und den Boden für eine Neueinsaat oder Nachsaat vorzubereiten.
Durch das Vertikutieren werden die abgestorbenen Pflanzenreste und der Filz, der sich auf der Oberfläche des Bodens gebildet hat, entfernt. Dies ermöglicht eine bessere Belüftung des Bodens, verbessert die Wasser- und Nährstoffaufnahme der Gräser und fördert das Wachstum von gesundem Gras.
Herkömmlicher Rasen in Kräuterrasen umwandeln
Die Umwandlung einer konventionellen Rasenfläche in eine Kräuter- oder Wildblumenwiese ist ein nachhaltiger Schritt zur Förderung der Biodiversität und Schaffung natürlicher Lebensräume für Insekten und andere Tiere. Um diesen Übergang erfolgreich zu gestalten, ist es erforderlich, die vorherrschenden Gräser zu schwächen und Kräuter und Wildblumen zu fördern.
Alle Infos zur Wildwiese anlegen ohne Umgraben: Rasen in Wildblumenwiese umwandeln findet man in dem Beitrag.
Zunächst ist es notwendig, die Gräser zu berauben und den Boden abzumagern. Die Abmagerung (Reduktion von Stickstoff im Boden) erfolgt durch Einarbeitung von Sand, die Schwächung der Gräser kann durch tiefes, kreuz-und-quer Vertikutieren erreicht werden. Dabei werden die Gräser gekappt und die Grasnarbe geöffnet, sodass Kräuter, die Lichtkeimer sind, offene Stellen zum Keimen finden. Durch regelmäßiges tiefes Mähen der durchaus noch nachwachsenden Gräser wird die Grasnarbe weiter geschwächt und Licht für die Kräuter geschaffen, um zu keimen und wachsen.
Die Umwandlung einer Rasenfläche in eine Kräuter- oder Wildblumenwiese ist ein langfristiges Projekt ist und erfordert Geduld. Auch wenn die Gräser nach der Behandlung noch nachwachsen, wird ihre Dominanz durch die regelmäßige Pflege und das nachfolgende Einbringen von Kräutern und Wildblumen nach und nach verringert. Mit der Zeit werden die neu eingeführten Pflanzen stärker und die Fläche entwickelt sich zu einer vielfältigen und natürlichen Wiese.
2 Gedanken zu „Rasen vertikutieren ist unnötig: Hier sind die Ausnahmen!“